Bestsellerautoren verlassen BUND unter Protest
Die Gründer der BUND-Ortsgruppe Osterode, Marita Vollborn und Vlad Georgescu, sind aus dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) ausgetreten.
Die Gründer der BUND-Ortsgruppe Osterode, Marita Vollborn und Vlad Georgescu, sind aus dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) ausgetreten. Grund hierfür sei die Weigerung des BUND-Landesverbandes und des BUND Westharz, gegen den Abbau von Dolomit bei Ührde zu klagen. Sie kritisieren, dass der BUND einerseits Führungen durch die Gipskarstlandschaft unternimmt, um die Bevölkerung auf die Einzigartigkeit dieser Region hinzuweisen, andererseits aber BUND Westharz und NABU Osterode bereits 2014 eine Vereinbarung für eine „zusätzliche Kompensation aus Gründen des Artenschutzes“ unterzeichnet und damit de facto einer weiteren Landschaftszerstörung bis ins Jahr 2090 im benannten Gebiet zugestimmt haben.
Im April 2014 hatte das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt Braunschweig eine Erweiterung des Dolomitsteinbruchs „Am Härkenstein“ bei Ührde im Altkreis Osterode genehmigt. Diese Genehmigung umfasst die Ausdehnung des bestehenden Steinbruchs um rund 37 Hektar in einem Gebiet, das auf Grund seiner außergewöhnlichen Artendichte Teil des „Hotspot der biologischen Vielfalt“ ist. Auch der Blossenberg samt Feldherrenhügel gehören dazu; sie werden der Knauf-Tochter Rump & Salzmann GmbH & Co. KG zum Opfer fallen. Das Osteroder Gipskarstgebiet ist Teil der europaweit einmaligen Gipskarstlandschaft, die sich über die drei Bundesländer Sachsen-Anhalt, Thüringen und Niedersachsen zieht. Diese Landschaft könne, statt die Rohstoffindustrie weiter zu bereichern und nur wenige Menschen unter Lohn und Brot zu stellen, ganze Regionen ernähren: mit sanftem Tourismus. „Denn die Gipskarstandschaft hätte das Zeug, als UNESCO-Weltnaturerbe ausgezeichnet zu werden – wenn Politik, Behörden und Verbände geeint und mit Macht gegen die Rohstoffindustrie vorgingen,“ sagt Georgescu. Davon aber seien die Verantwortlichen „meilenweit entfernt“. Bereits heute seien mehr als die Hälfte der insgesamt 770 Hektar Gipskarst um Osterode für den Abbau freigegeben, fräßen sich die Bagger immer tiefer in die FFH-Lebensräume. Damit aber nicht genug: Mit der Unterschrift von BUND und NABU sei der Raubbau über „sage und schreibe“ drei Generationen hinweg von zwei der bekanntesten Umweltverbände in Deutschland legitimiert worden. Denn die Kompensationsvereinbarung, die neben der damaligen Vorsitzenden des NABU Osterode, Ursula Glock-Menger, auch Dr. Friedhart Knolle, Vorsitzender des BUND Westharz, im März 2014 unterzeichnet hatten, sei erst eine der Voraussetzungen für die Erteilung der Genehmigung durch das Gewerbeaufsichtsamt Braunschweig einen Monat später gewesen. Vollborn und Georgescu halten die Vereinbarung für einen unverzeihlichen Fehler – und für einen äußerst klugen Schachzug der Rohstoffindustrie.
Der BUND Niedersachsen habe in den drei Jahren ihrer Mitgliedschaft sowohl auf die Erstellung eines Gutachtens zur Biodiversität als auch auf die Einschaltung von Fachanwälten und entsprechende Klagen verzichtet, monieren Vollborn und Georgescu. „Unsere zahlreichen Versuche, den Landesverband über Anträge dazu zu bewegen, blieben erfolglos“, sagt Georgescu. Im Gegenteil habe der niedersächsische BUND „geblockt“. „Als wir im Zuge unserer Recherchen zum Gipskarst auf einen Artikel stießen, der das höchst befremdliche Einvernehmen zwischen BUND Westharz, NABU Osterode und Rump & Salzmann behandelt, wurde uns schließlich klar, warum.“ In dem Artikel (HarzKurier vom 26.3.2014) wird Dr. Friedhart Knolle mit den Worten zitiert „Erst haben wir gestritten. Jetzt haben wir ein tolles Verhandlungsergebnis erzielen können.“ „Erschreckend“ finden Vollborn und Georgescu, was da eigentlich unterschrieben wurde: Während durch den Abbau durch Rump & Salzmann Stück für Stück seltene Pflanzengemeinschaften, Insekten und Wirbeltiere ihren angestammten Lebensraum verlieren und damit die Bedrohung der Bestände weiter zunimmt, liste das Papier kaum mehr als vage Zielvereinbarungen und Phrasierungen auf. „Wohlweislich“ habe sich Rump & Salzmann jede einzelne Seite der Kompensationsvereinbarung von Knolle und Glock-Menger abzeichnen lassen.
„Wir hätten wenigstens gehofft, dass dieser Kardinalfehler in den Verbänden aufgearbeitet wird“, sagt Vollborn. Davon könne aber keine Rede sein. „Auf die vielen Fragen, was konkret der BUND Niedersachsen in den vergangenen Jahren gegen den Raubbau im Gipskarst unternommen hat, wurden wir vom niedersächsischen BUND-Vorsitzenden Heiner Baumgarten mit allgemeinen umweltpolitischen Statements abgespeist“, erzählt Vollborn. Worte und Führungen allein würden aber das Blatt nicht wenden. „Wir verlassen den BUND in der Hoffnung, dass eines Tages eine junge und vor allem kritische Generation das Zepter an sich reißt, und nicht mehr eine brav ergraute, allein dem hierarchischen Denken verpflichtete Generation im Namen der Umwelt fragwürdige Verträge für die kommenden 76 Jahre abschließen kann.“
Marita Vollborn und Vlad Georgescu sind Wissenschaftsjournalisten und Sachbuchautoren. Ihre Bücher zählen zum Bestand der Bibliothek des Deutschen Bundestags, eins davon, der Bestseller „Die Joghurt-Lüge“, wurde von der FAZ zu den wichtigsten Neuerscheinungen des Herbstes 2006 gewählt. Seit August 2020 leiten sie das unabhängige Webzine DISPARUM© redaktionell ( www.disparum.de).
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